Ein besonders guter Jahrgang

Zum bevorstehenden Schulschluss, habe ich meinen Sohn Gerhard, der Lehrer in einem Gymnasium ist, gebeten ein Erlebnis von seinem Maturajahrgang zu berichten. Da er doch um einiges jünger ist als ich und mehr in der Thematik Schüler/Lehrer dran ist, kann er eine andere Sichtweise wiedergeben.

Ich bin Deutschlehrer an einem Gymnasium. Und in diesem Job muss man sich daran gewöhnen, dass man eigentlich so gut wie nie ehrliches Feedback über die Qualität der eigenen Arbeit bekommt. Wie denn auch? Es stehen ja immer die Noten dazwischen. „Soll ich meinen Professor ehrlich die Meinung sagen? Was ist, wenn er sich dann im Juni beim Zeugnis daran erinnert?“ Solche Gedanken schwirren wahrscheinlich sehr oft durch die Köpfe von Schülerinnen und Schülern oder Eltern.

Auf der eine Seite ist das für mich gut, weil vorschnelle Kritik mich so gut wie nie erreicht. Auf der anderen Seite bekommt man aber auch kein Lob, weil dann der Verdacht des „Einschleimens“ mitschwingt.

Dieses Jahr war das anders, und davon möchte ich kurz berichten, weil ich einiges gelernt habe (als Lehrer gar nicht so einfach J)

Ich hatte dieses Jahr eine Maturaklasse in Deutsch, die in mehrerer Hinsicht eine besondere war. Sie bestand ausschließlich aus jungen Damen (22) und ich hatte sie die gesamte Oberstufe unterrichtet. Das eigentlich Besondere war aber ihr Niveau. Es war nämlich ausgesprochen gut. Umso mehr hat es mich gewundert, dass niemand von ihnen in Deutsch zur mündlichen Matura angetreten ist. Ich hatte erwartet, dass ihnen das liegen und dass sie das herausfordern müsste (Deutsch mündlich gilt wegen des Stoffumfangs als schwierig und aufwändig). Ich dachte mir: Gut, dann liegt’s wahrscheinlich an mir. Aber eigentlich hat die Chemie zwischen ihnen und mir immer gut gepasst. Hatte ich was übersehen? Hatte ich was falsch gemacht? Haben die Schülerinnen mir aus Angst vor schlechteren Noten etwas verschwiegen?

Und dann kam die Maturafeier. Alle haben – kein Wunder – bestanden, aber so richtig bedankt hat sich bei mir niemand. Meine Kollegen haben teilweise sehr persönliche und überlegte kleine Geschenke bekommen und bei mir war es eine etwas lieblose Merci-Packung.

Ich dachte mir: Gut, abhaken, weitergehen.

Und dann bekam ich vor einigen Tagen eine lange Nachricht einer Schülerin auf mein Handy. Sie bedankte sich bei mir und fand dabei so ehrliche und berührende Worte, dass ich ihr nicht im Stehen antwortete, sondern mir für die Antwort extra am Wochenende Zeit nahm.

Es dauert manchmal im Leben einfach etwas länger, bis man herausfindet: Es war doch ein besonderer Jahrgang

Danke Gerhard für Deine ehrliche Geschichte.

Mit ein paar NFK-Gedanken möchte ich schließen:

Wie geht es Dir, wenn Du bei einer Situation alles gegeben hast und Deine „Erwartungen“ nicht erfüllt wurden?

Wie geht es Dir mit der Aussage: Was Du sähst, wirst Du ernten? ( Gesetz von Ursache und Wirkung)

Eure Elisabeth