Kindern etwas zutrauen!

Ich bin überzeugt, dass jedes Kind als Grundnahrungsmittel das Vertrauen seiner Eltern braucht, um innerlich wachsen zu können.

Am letzten Wochenende hatte ich mich mit meiner Cousine, die Kindergärtnerin ist, intensiv über das Thema „Kindererziehung“ unterhalten und in welchem Alter man beginnt, Kindern zuzutrauen, dass sie für sich selbst sorgen können.

Ich kann mich, als wäre es heute, an eine Begebenheit erinnern, als mein Sohn ein paar Wochen alt war. Wir waren zu Besuch bei den Schwiegereltern, und mein Schwiegervater hat den Buben gehalten. Ich habe an der Stimmlage meines Kindes gehört, dass ihm da etwas nicht gepasst hat. Ich habe ihm damals schon zugetraut, sich auch bei seinem Opa wie bei mir verständlich zu machen, was er mag und was nicht. Ich habe dennoch einfach nur zugesehen und nicht eingegriffen. Die beiden haben mich später nie als Vermittlerin gebraucht, um eine gute Beziehung zu haben.

Seinem Alter entsprechend darf und möchte ich meinem Kind zutrauen, für sich zu sorgen.

Meine Cousine hat mir ein Beispiel aus ihrem Kindergartenalltag erzählt. Sie beobachtet es immer wieder, dass Kinder ihre Hausschuhe nicht finden. Deren Eltern machen sich auf die Suche nach den Schuhen, und die Kinder sitzen und sehen zu. „Wessen Verantwortung ist es, die Schuhe zu finden?“ fragte sie mich. „Wie soll das Kind lernen, seine Schuhe dort auszuziehen, wo es sie wiederfindet, wenn die Eltern ihm die Verantwortung dafür abnehmen?“

Was gibt es Schöneres, seinen Eltern helfen zu dürfen, beim Kochen, beim Gemüse schneiden, beim Ausmalen, beim Beet bepflanzen …

Ich erinnere mich an die Begeisterung meiner Kinder, wenn sie neue Herausforderungen gemeistert haben – als ich ihnen zum ersten Mal zugetraut habe, alleine einkaufen zu gehen, den Weg von der Schule alleine nach Hause zu fahren, einen Koffer alleine zu packen, etwas alleine zu kochen und vieles mehr. Es gibt Hunderte Beispiele im Alltag, wie wir unseren Kindern mit kleinen oder auch größeren Aufgaben unser Vertrauen und Zutrauen schenken können!

Wenn ich aber gemerkt habe, jetzt traue ich ihnen nicht zu, eine Situation zu meistern, dann habe ich mich hingesetzt und folgende Übung gemacht:

“Ich spüre, wie ich mich fühle, wenn ich mich sorge oder ängstlich bin. Ich nehme es bewusst wahr. Dann stelle ich mir vor, was mein Kind schon alles bewältigt und geschafft hat. Als nächsten Impuls schicke ich, in meiner Vorstellung, meine Mutterliebe und mein Zutrauen meinem Kind.“

Nicht nur, dass ich mich jetzt besser fühle, ich kann auch aktiv mein Kind unterstützen.

Es kommt darauf an, dass Kinder eigene Erfahrungen sammeln dürfen und sie sich in einem Feld des Erprobens bewegen. Es ist wichtig für Kinder zu verstehen, dass man nicht alles gleich beim ersten Mal können muss. Es gehört dazu, zu üben und auszuprobieren. Ein Misserfolg ist etwas ganz Normales. „Komm, steh auf, wir probieren es gleich wieder.“ Kinder spüren das Zutrauen, und das ermutigt sie.

Meine erwachsenen Söhne trauen sich heute Dinge zu, die würde ich mich nicht trauen.

Alle Eltern haben den Wunsch und die Vorstellung, dass ihr Kind als Erwachsener ein selbständiges, selbstverantwortliches Leben führen sollen.

In welchem Feld des Erprobens bewegst du dich?

Wer traut dir zu, dass du deine Vorhaben schaffst?

Kerstin Rauchlechner